Bei der Vollversammlung der Bremer Studierenden am 03. Juni 2025 durften wir folgenden Redebeitrag halten:
Liebe Studierenden, liebe Kolleg*innen, vielen Dank, dass ich heute für das Bündnis Unkürzbar hier sprechen darf! Wir sind ein Zusammenschluss aktiver Kolleg*innen und Kollegen aus Gewerkschaften, aus Betrieben und selbstorganisierten solidarischen Gruppen. Zusammengekommen sind wir über die Streikbewegung zum Traifvertrag im öffentlichen Dienst. Teile von uns haben aber auch bereits letztes Jahr schon Proteste und eine Kundgebung gegen den Sozialabbau der Bremer Landesregierung organisiert. Dabei ging es uns aber nicht "nur" um den Soziallabbau, die Verschlechterung der Lebensbedingungen für immer mehr Menschen in unserer Stadt. Wir haben unsere Proteste immer in einen breiteren Rahmen gestellt, sind gegen Sozialabbau und Rechtsruck auf die Straße gegangen. Weil beides in einem Zusammenhang steht und deswegen auch der Protest dagegen zusammengehört, über alle gesellschaftlichen Teilbereiche hinweg. Und deswegen sind wir heute auch bei euch, stehen mit euch zusammen.
Euer Semesterbeitrag soll um fast 100€ erhöht werden. Studieren können sich seit Jahren zunehmend immer weniger leisten, es ist wieder eine Frage des Bankkontos, der sozialen Herkunft geworden. Die 100 Euro sind für viele deswegen in Zeiten von Inflation, Preiserhöhungen, steigenden Mieten und proportional sinkenden Löhnen eine unbezahlbar hohe Summe. Wir sagen deswegen: hier muss Schluss sein! Stoppen wir gemeinsam diese Erhöhung!
Wir sollten dabei aber nicht nur auf die Erhöhung dieses Beitrags gucken. Denn jeden Euro Semesterbeitrag, den ihr zahlt, spart sich der Staat an euch. Und dieses Sparen, das macht er gerade nicht nur mit euch, das macht er mit vielen. Es ist ein umfassendes Kürzungsprogramm, ein sozialer Angriff auf die Lebenbedingungen aller, die in diesem Land arbeiten gehen müssen oder auf den Sozialstaat angewiesen sind.
So soll das Bürgergeld, eh immer nicht viel mehr als ein Hartz 5, umgebaut werden. Sanktionen, Arbeitspflichten und weitere Verarmungen drohen hier. Die Krankenkassenbeiträge wurden schon wieder erhöht - das betrifft uns alle, euch wie uns. Die Drogenhilfe ist, offen gesagt, am Arsch. Dafür ist der Bahnhofsvorplatz jetzt voller Polizeikarren und Kameras. Die Mieten steigen immer weiter, das Wohngeld dagegen nicht. Die rot-grün-rote Bremer Landesregierung hat ersatzlos die Wohnraumzulage gestrichen. Ohne die können nun auf den Sozialstaat angewiesene Rentnerinnen und Bürgergeldbezieherinnen, nicht mehr in zunehmend unbezahlbaren Stadtteilen wie Walle, Neustadt oder dem Viertel wohnen. Bildungsträger müssen Standorte schließen. So wird das Geschwätz vom sozialen Aufstieg durch Bildung, zur offensichtlichen Farce. Genau wie hier. Der Sozialabbau ist also kein Schreckgespenst. Wir bekommen ihn gerade überall zu spüren.
Gespart wird an: Bildung, Gesundheit, dem Dach über unserem Kopf. Das betrifft all diebesonders hart, die auch sonst nicht viel haben. Und das sind in Bremen viele, fast ein Drittel aller Bremerinnen und Bremer sind arm, allein in der Stadt Bremen sind das 161.000 Menschen. Und ich wette einige davon stehen jetzt gerade vor mir.
Fragen wir nach den Gründen für diese Misere, sind die Antworten immer: „Wir würden ja gerne, aber leider haben wir kein Geld.“ „Wir müssen dringend sparen.“ „Es gibt hier leider Sachzwänge!“ Aber die Staatsausgaben sinken doch gar nicht, ein "Doppelwums" jagt den nächsten Sonderhaushalt. Also, wofür gibt der Staat denn dann Geld aus? Ein Geheimnis ist das nicht: Die Rüstungsausgaben steigen, die Polizei wird weiter militarisiert, und Unternehmen wie zum Beispiel die Bremer Stahlwerke erhalten hunderte Millionen Euro Geschenke, Entschuldigung: Subventionen zur Förderung einer klimaneutralen Transformation, damit sie nicht den Standort wechseln. Dieses Sparen ist also keine Frage des Mangels. Es ist eine Entscheidung, die aus einer einfachen Rechnung entspringt. Der Staat entscheidet sich Tag für Tag gegen uns und für den Erfolg des Wirtschaftsstandorts.
Nicht aber aus Gemeinheit oder Dummheit handelt die Politik so. Oder weil gerade die falsche Partei die Regierung stellt. Denn Sozialabbau betreibt auch die rot-grün-rote Bremer Landesregierung. Kriege, Rechtsruck, eine globale Wirtschaftskrise und die sich ankündigende Klimakatastrophe, die Welt ändert sich gerade so schnell, grundlegend und unvorhersehbar wie kaum in den letzten Jahrzehnten. In dieser eskalierenden Konkurrenz setzt der Deutsche Staat auf Panzerung nach außen und Sozialabbau nach innen um im weltweiten Wettbewerb wieder nach vorne zu kommen. In Bremen, einem Bundesland das unendlich verschuldet ist, sehen wir diese Eskalation wie in einem Brennglas. Keine Kohle, kein Einkommen, unglaublich viel Armut. Hier geht es weniger ums staatliche Vorankommen und mehr darum, sich über Wasser zu halten. Euren Semesterbeitrag noch weiter zu erhöhen ist eine haushalterische Verzweiflungstat einer Landesregierung, die selber gar kein Ziel hat außer Verwalten und an uns zu Sparen.
Aber hier geht es um eure, um unsere Leben. Und wenn wir diesem Vorankommen im Weg stehen, werden wir auch so verhandelt: Wir sind für sie nur Zahlen und Kosten! Und für den Staat - egal ob Deutschland oder Bremen - ist das auch so. Aber wenn wir für den Staat nur entweder verwertbare Arbeitskräfte oder teures Ärgernis sind, dann lasst uns ihm zeigen, was ein echtes Ärgernis ist! Wir müssen ihn mehr unter Druck setzen. Mehr als die Schwankungen des BIP, mehr als der Zwang sich nach außen zu rüsten. Lasst uns zu einem Sachzwang werden, an dem sie nicht vorbeikommen! Als Gewerkschaften, betrieblich Aktive, Erwerbslose, Mieter*innen, Schüler*innen, Auszubildene, Studierende, wir alle, die von diesem sozialen Angriff betroffen sind. Gemeinsam schlagen wir zurück! Lasst uns gemeinsam einfordern was wir für ein gutes Leben brauchen und es uns nehmen. Für eine Zukunft in der wir alle unkürzbar sind!
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